Der WDR berichtet in seiner Sendung „Tiere suchen ein Zuhause“ erneut über die Zustände in belgischen Tierheimen und über den Welpenverkauf bei Vermehrern und PetShops.
Ergänzend zum Beitrag ein persönlicher Bericht der Journalisten Kati Kolbe:
In Deutschlands Nachbarland Belgien werden Welpen vertrieben, wie Waren – und auch genauso produziert. Kati Kolbe ist Journalistin und Tierschützerin. Für Tiere suchen ein Zuhause hat sie sich den belgischen Welpenmarkt angesehen und war schockiert. Ein ganz persönlicher Erfahrungsbericht über den Welpenhandel in Belgien.
In den letzten Jahren war ich schon in einigen Ländern unterwegs, um dort über den Tierschutz zu berichten und Vieles hat mich schockiert. Aber kein Land hat mich so erschüttert wie die Zustände in unserem Nachbarstaat Belgien, dem Sitz des Europäischen Parlamentes. Hier sollte es Tieren doch gut gehen – doch weit gefehlt. In keinem europäischen Land wird der Kreislauf von Zucht, Welpenhandel und Tierschutz so ad absurdum geführt wie in Belgien.
Erste Einblicke
Vor Beginn der Dreharbeiten bin ich gemeinsam mit belgisch-deutschen Tierschützern auf Recherchereise gegangen. Unser erster Stopp: ein Tierheim in der Nähe von Brüssel. Hier werden, wie in fast allen belgischen Tierheimen, nicht vermittelbare Tiere getötet. Und zwar ausnahmslos. Vermeintlich aggressive, verängstigte oder alte Tiere haben von vornherein keine Chance. Und das ist legal. Denn in Belgien dürfen heimatlose Tiere laut Gesetz nach neun Tagen getötet werden.
Beim Gang durch das Tierheim hat mich verwundert, dass nicht mal jeder zweite Zwinger besetzt war und im Katzenhaus augenscheinlich gerade mal vier Katzen herumliefen. Die wenigen Tiere dort waren ausnahmslos junge, hübsche Rassetiere. Von den Tierschützern erfuhr ich, dass vor einigen Tagen „Platz geschaffen“ wurde für die vielen Tiere, die in der Urlaubszeit ausgesetzt werden und dann hier landen. Denn die Tierheime argumentieren, dass sie die ständige Flut der Fund- und Abgabetiere anders nicht bewältigen können. Also töten sie regelmäßig alle Tiere, denen sie von vorneherein keine Vermittlungschancen einräumen. Gängige Praxis in Belgien. Mir lief es noch beim Verlassen des Tierheimes eiskalt den Rücken herunter. Trotzdem habe ich versucht, mich auf unsere nächsten Stationen vorzubereiten: Welpenhändler in der Nähe von Antwerpen.
Welpen als Ware
Manche der Zuchtstätten sahen von außen aus wie ganz normale Zoofachgeschäfte, andere erinnerten mich an riesige Massentierhaltungsfarmen in Deutschland. Doch am Ende waren sie alle gleich: Sie verkaufen alle erdenklichen Hunderassen, bevorzugt die kleinen Modehunde, zu günstigen Preisen. Zwischen 300 und 800 Euro kostet dort ein Welpe. Ältere Welpen sind preiswerter!
Ich konnte kaum glauben, was ich dort sah. Die Tiere waren in Mini-Zwingern oder kleinen Plastikboxen eingepfercht. Mal alleine, mal zu zweit, manchmal mehrere zusammen. Einige von ihnen waren krank, bewegten sich kaum oder hatten Durchfall. Von den Elterntieren gab es weit und breit keine Spur. Stellten wir kritische Fragen, wurden die Händler unfreundlich und wir hinaus komplimentiert.
Ich musste erst einmal tief durchatmen, bevor es zu unserer letzten Station für heute ging: einem belgischen Zoofachfachgeschäft in Brüssel. Hier können Halter nicht nur jegliches Zubehör für ihre Haustiere kaufen, sondern auch gleich einen neuen Katzen- oder Hundewelpen, ganz ohne Rückfragen. Einfach zahlen und das Tier mitnehmen. So einfach geht das in Belgien. Die Katzenwelpen waren hinter Glas ausgestellt, alles war sauber, sogar Kratzbäume und Spielzeug standen bereit. Die Hundewelpen waren in Zwingern untergebracht. Die waren mit Einstreu ausgelegt, die Futter- und Wassernäpfe gefüllt. Selbst mitten in der Woche war der Laden voll. Viele Eltern und ihre Kinder bestaunten und betatschten die Welpen. Ein richtiges Familienerlebnis in Belgien.
Ich ging an den Zwingern vorbei und hatte ein sehr beklemmendes Gefühl. Welpen aller Rassen, in allen Altersstufen drängten sich an die Gitter und heischten um Aufmerksamkeit. Ein schreckliches Bild! Ich machte noch ein paar Videoaufnahmen mit meinem Handy und verließ das Geschäft wieder. Ich hatte genug gesehen.
Ein absurder Kreislauf
Auf der Rückfahrt nach Deutschland habe ich alles noch einmal Revue passieren lassen. Die Tragweite dessen, was ich gerade erlebt hatte, ist mir erst da so richtig bewusst geworden: In Belgien existiert ein absurder Kreislauf. In den Tierheimen werden viele Tiere getötet, weil es zu viele sind und gleichzeitig werden massenweise wieder neue Welpen gezüchtet, um die Nachfrage nach jungen Rassetieren anzukurbeln. Wenn die Halter ihre Hunde nicht mehr wollen, werden sie ins Tierheim abgeschoben – nur um dort wieder getötet zu werden. Und immer wieder rücken neue Tiere nach.
Mit nur ein paar Klicks im world wide web bestätigt sich die traurige Wahrheit: Die zu vermittelnden Tiere auf den Internetseiten der Tierheime waren zu 70 bis 80 Prozent reinrassig. Kein Wunder, denn die Chance, dass ein Rassewelpe in Belgien irgendwann in einem Tierheim landet, ist hoch. Schließlich ist das Angebot groß und Welpen an jeder Ecke zu bekommen. Von den Tierschützern habe ich eine Liste aller belgischen Tierhändler bekommen. Es sind Hunderte!
Belgien – der größte Welpenumschlagplatz Europas
Schockiert, aber von der Neugier gepackt, habe ich weiter recherchiert und herausgefunden, dass nur ein Teil der Welpen in Belgien selbst gezüchtet wird. Schätzungen zufolge kommen 80 Prozent aus Osteuropa – Ungarn, Tschechien, Slowakei oder Polen. In Hinterhöfen und Verschlägen werden die Muttertiere oftmals unter schrecklichen Bedingungen gehalten und als Gebärmaschinen und Zuchtrüden missbraucht. Sie werfen mehrmals im Jahr, bekommen keine tierärztliche Versorgung oder genügend Futter, haben keine Sozialkontakte und wenn sie nicht mehr werfen, werden sie getötet. Die Welpen werden den Müttern viel zu früh entrissen und oft mit nicht mal sechs Wochen in Kartons gestopft und in Kleinlastern nach Belgien transportiert. Dort werden sie dann an die Einzelhändler verkauft, die sich als „liebevolle Familienunternehmen“ oder „traditionelle Bauernmärkte“ tarnen. Oder sie werden von hier aus nach ganz Europa vertrieben – nach Großbritannien, Frankreich, aber auch Deutschland.
Belgien ist neben Holland der größte Welpenumschlagplatz Europas. Aber warum gerade dieses Land? Das habe ich mich gefragt und erfahren, dass in Belgien der Hundehandel weitgehend ohne Kontrollen stattfindet. Die Polizei, die Regierung oder die Veterinärämter mischen sich nicht ein. Zu millionenschwer ist das Geschäft. Schließlich verdient auch der Staat an jedem verkauften Hund. An den Steuern für Zubehör, der Registrierung und dem Mikrochip, den Tierarztkosten und so weiter.
Kriminelle Machenschaften
Und wenn so viel Geld auf dem Spiel steht, verwundert es nicht, dass sich Züchter, Händler und Verkäufer nur ungern ins Handwerk pfuschen lassen. Journalisten und Tierschützer müssen vorsichtig sein, wenn sie recherchieren. Nicht umsonst wird überall von der Welpen-„Mafia“ gesprochen. Diesen Menschen ist egal, ob die Tiere leiden, in Tierheimen getötet werden oder was sonst mit ihnen passiert. Hauptsache, der Euro rollt!
Die deutsch-belgischen Tierschützer und ich mussten das am eigenen Leib erfahren. Wir wurden von Züchtern und Händlern beschimpft und bedroht. Die Dreharbeiten in Belgien waren immer ein Drahtseilakt. Ich wusste das von Anfang an und trotzdem wollte ich so viel wie möglich von diesem schmutzigen Geschäft aufdecken. Denn wie sonst könnte jemals der absurde Kreislauf von Zucht, Welpenhandel und Tötungen in Belgien durchbrochen werden?
Autorin: Kati Kolbe